Die künstlerische Magie von konstruktiv-konkreter Kunst zeigt sich an dem Punkt, wo sich Mathematik und Kunst begegnen, und auch dort, wo digitale und analoge Medien aufeinandertreffen. Meine Ambition ist es, die inhärente Harmonie, Schönheit und Klarheit mathematischer Konzepte aufzudecken und sichtbar zu machen. An diesem Punkt ist kein Verständnis und keine Wertschätzung der Mathematik nötig, um die Ästhetik und Harmonie im Werk zu sehen.
Gauthier Cerf
Manifesto
Klarheit - Leichtigkeit - Reduktion
Poesie für die Augen
Die Fibonacci-Art hat ihre Wurzeln in der Fibonacci-Zahlenfolge. Wie in anderen Bereichen der konstruktiv-konkreten und konzeptuellen Kunst stellt dies für meine Arbeit eine Einschränkung, vielleicht sogar eine Zwangsjacke dar. Allerdings habe ich das Gefühl, dass es nur in dem Sinne eine Zwangsjacke ist, wie Zwangsjacken für Harry Houdini Zwangsjacken waren. Mit anderen Worten: Die Fibonacci-Beschränkung ist für mich ähnlich wie in der Poesie das Metrum eine Beschränkung ist: sie ermöglicht es mir, Gedichte für die Augen zu schaffen. Mein Ziel ist es, Licht, Farben, Formen, Anordnungen, Raum und Substrat so weit zu nutzen, dass man die Mathematik hinter einem Kunstwerk nicht wertschätzen oder verstehen muss, um die Ästhetik und Harmonie darin zu finden. In meinen Kunstwerken strebe ich nach Klarheit, Leichtigkeit und Reduktion.
Fibonacci und seine Zahlenfolge
Die berühmte Fibonacci-Folge ist nach Leonardo da Pisa benannt, der ca. 1170-1240 in Pisa lebte und als Fibonacci bekannt wurde, eine italienische Kurzform von Figlio di Bonaccio („Sohn von Bonaccio“). Die Fibonacci-Folge war in der indischen Mathematik bereits 450 v. Chr. bekannt, wo sie zur Zählung aller möglichen Muster der Sanskrit-Dichtung mit Silben der Länge zwei verwendet wurde. Sie folgt einer äußerst einfachen Regel, die eine Zahl der Folge als Summe der beiden vorherigen Zahlen definiert, beginnend mit 1 und 1:
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377, ⋯
Interessanterweise ist die Fibonacci-Folge eng mit dem ebenso berühmten Konzept des Goldenen Schnitts verbunden, denn durch diesen lassen sich die Fibonacci Zahlen direkt berechnen. Teilt man eine Fibonacci Zahl durch die nächst kleinere, ergibt sich eine Zahl, die beliebig nahe am Goldenen Schnitt liegt, je grösser die Fibonacci Zahl gewählt wurde.
Sogar im Pascal’schen Dreieck verstecken sich die Fibonacci Zahlen. Und auch pythagoräische Triples (drei ganze Zahlen a, b, c, die dem Gesetz a²+b²=c² gehorchen) lassen sich durch die Fibonacci Zahlen kreieren.
Seit Jahrhunderten sind die Fibonacci-Zahlen und der Goldene Schnitt nicht nur für Mathematiker, sondern auch für Architekten, Biologen, Botaniker, Designer, Dichter, Komponisten, Künstler, Psychologen und Menschen im Allgemeinen ein Thema von faszinierendem Interesse. In der Natur selbst kommt die Fibonacci-Folge auf unerwartete Weise vor, z. B. in Sonnenblumen, Tannenzapfen, Ananas und anderen Pflanzen. Selbst an der Börse haben die Fibonacci Zahlen bei der Chart-Analyse von Aktienkursen Einzug gehalten.
Die unendliche Reihe zeigt ein grenzenloses und exponentielles Wachstum – ganz ähnlich wie das Wachstum der Menschheit, welches die fundamentale Ursache der quälendsten Probleme unseres Planeten ist: Hunger, Armut, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Artensterben und viele andere. Erst unlängst hat die Menschheit mit der Corona-Pandemie gelernt, wie unterschiedlich exponentielles Wachstum im Vergleich zum alltäglichen linearen Wachstum ist. Bezeichnenderweise hatte Fibonacci die nach ihm benannte Zahlenfolge in seinem 1202 publizierten lateinischen Manuskript, Liber Abaci, mit dem überbordenden Wachstum von Kaninchen berechnet und illustriert.
Fibonacci Art
Die Fibonacci Art ist eine Form von konstruktiv-konkreter und konzeptueller Kunst. Ähnlich wie der Neoplastizismus des niederländischen Avantgardekünstlers Piet Mondrian legt sich die Fibonacci Art Einschränkungen auf. Die einfachen geometrischen Objekte müssen den Dimensionen der Fibonacci Zahlen folgen.
Fibonacci Art ist auch eine Form von mathematischer Kunst (Math Art), welche mathematische Konzepte benutzt, um Werke zu schaffen, die ästhetisch ansprechend sind und Denkanstösse vermitteln.
Mathematik ist wahrhaftig zeitlos. Sie ist inhärent rein und auf den Kern reduziert. Sie erstreckt sich über den Globus und über das Universum. Sie ist die Lingua Franca in der Beschreibung der Welt in der wir leben: in der Physik, den Naturwissenschaften und der Technologie. Sie besitzt eine ewige Schönheit und spricht eine unbestreitbare Wahrheit, die unabhängig von weltlichen Strömungen und Meinungen ist.
Zahlen für sich allein und rein mathematische Kunst können wiederum steril wirken. Es ist die Aufgabe des Künstlers, die inhärente Schönheit aufzudecken und sichtbar zu machen. Ich glaube, dass die künstlerische Magie sich genau an dem Punkt zeigt, wo sich Mathematik und Kunst begegnen, dort wo digitale und analoge Medien aufeinandertreffen. An diesem Punkt ist kein Verständnis der Mathematik nötig, um die Schönheit und Harmonie im Werk zu sehen.
Meine Kunstkonzepte folgen einer Logik, die die artistischen Medien umspannen. Ich realisiere sie als Bilder, Skulpturen und Mobiles.
Meine Kunst nährt sich von der Interaktion zwischen Mathematik, Geometrie und den künstlerischen Elementen wie Licht, Farben, Formen, Komposition, Raum und Untergrund. Sie strebt eine Klarheit an, die die Seele berührt und beruhigt. Meine Arbeit entfaltet sich aus einem minimalen, essenziellen Kern in ein facettenreiches Werke-Portfolio. Dabei wächst sie über die Mathematik hinaus und zeigt eine ästhetische Wärme, und Poesie.
STICHWÖRTER: Fibonacci Art; Konstruktiv-konkrete, konzeptuelle Kunst; Mathematische Kunst; Kinetische Kunst; Goldener Schnitt.
Über Gauthier Cerf
Ich lebe und arbeite in Zürich und bin oft in Berlin. Mit meinem Hintergrund als Physiker und promovierter Informatiker war ich lange Zeit als Ingenieur und Unternehmer in innovativen Think Tanks tätig. Ich liebe es, in Abstraktionen und Modellen zu denken, unkonventionell, auf den Kopf gestellt. Wenn ich Werke von Johann Sebastian Bach höre und spiele, erhalte ich Inspiration und Energie für meine Fibonacci Art.
Meine Fibonacci-Kunstwerke sprechen eine einfache und klare Sprache – und doch hat man das Gefühl, dass mehr in ihnen steckt – mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Die Werke sind prägnant, präzise, einprägsam, einfühlsam und zeitlos.